4-Wort-Story: Sahnebonbon, Sonne, Lebensfreude, Aluhut

4-Wort-Story: Sahnebonbon, Sonne, Lebensfreude, Aluhut

Luise saß gedankenversunken auf ihrer Lieblingsbank. Der weite Blick über das tiefe Tal bis hinüber zu den schneebedeckten Berge, das gab ihr immer viel Kraft.

Lange war sie nicht mehr bis hierhin gelaufen. Die Alm lag in diesem Jahr bis weit in den Mai im frostigen Schneegewand, jetzt hatte die Sonne endlich auch die letzten weißen Fetzen auftauen lassen. Ihre Füße wollten zwar den Weg nicht mehr so flink wie früher in die höchsten Weiten wandern, doch mit jedem Schritt nach oben, wurde sie mutiger. Nach der Hüft-OP im letzten Herbst meinten die Ärzte sie sollte ab jetzt vorsichtiger sein. Doch darauf gab Luise wenig.

„Die Luise hatte schon immer ihren eigenen Kopf“ würde jetzt ihr Hermann brummeln.

So packte sie heute Morgen kurz entschlossen ihren Wanderrucksack mit dem Nötigsten, legte ihrem Hermann einen schnell auf einen Zettel gekritzelten Gruß auf den Küchentisch und wanderte los. Sie wollte sich ihre Lebensfreude nicht durch die begrenzten Aussagen wichtigtuender Ärzte austreiben lassen. Sie kannte ihren Körper, hat ihn im Laufe der Jahre lieben gelernt. Und sie wusste, eines liebte ihre Körper am meisten: Bewegung. Am besten draußen in den Bergen.

Ihr Ziel stand fest. Sie kannte die Wege hier wie ihre Westentasche. An jeder Kreuzung blieb sie stehen, hielt inne und entschloss erst in dem Moment, welchen Weg sie als nächstes nehmen würde, um bis zu ihrer Bank zu gelangen. Sie ließ sich treiben, hörte das Kuhgebimmel aus der Ferne, das weiche Schellen der Dorfkirchenglocken zu jeder Stunde, die Schmetterlinge kreuzten ihre Wege und tanzten über den Blumen. Der Wind blies leicht, die Bienen summten ein Lied. Mit einem Mal fiel ihr auf, wie sehr sie diese stille Vertrautheit mit der Natur vermisst hatte.

Dann war er da, der Moment, auf den sie sich den ganzen langen Weg über gefreut hatte. Ihre Bank, sie stand immer noch an derselben Stelle wie beim letzten Mal. Sie war ihre geheime Vertraute. Wie oft saß sie schon auf ihr und hat dort ihre Freude und ihr Leid geteilt, auch unzählige Gebete in den Himmel gestoßen.

Dieser Ort mit der Bank war ihr sicherster Ort. Hier fühlte sie sich verbunden mit allem. Als sie vor 40 Jahren ihren Hermann kennengelernt hatte, trafen sie sich am Anfang heimlich dort. Hier hat er ihr auch seinen Heiratsantrag gemacht. Hermann war damals nur ein einfacher Almhirte, doch er hatte immer etwas Lustiges in seinen Hosentaschen versteckt.

Als er ihr den Heiratsantrag machte, fragte er sie frech: „Willst du die rechte oder die linke Hand“. Er stand dabei, beide Hände tief in seinen Hosentaschen vergraben, siegessicher strahlend vor ihr.

Sie sagte „links“ und er grinste, zog die linke Hand heraus und hielt ihr einen Ring entgegen. Sie konnte es damals im ersten Moment gar nicht fassen.

Doch ohne zögern sagte sie: JA, ich will und sie fielen sich in die Arme. An das Gefühl der blubbernden Glücksperlen in ihr kann sie sich bis heute erinnern.

Später fragte Luise ihn, was er denn in der rechten Hand gehabt hätte. Da grinste er wieder.

„Dann hätte mein Heiratsantrag noch warten müssen und ich hätte dir nur einen deiner Lieblings-Sahnebonbons geschenkt.“

So war er eben, ihr Hermann, und dafür liebte sie ihn.

Luise öffnete ihren Rucksack, zog die Thermoskanne und ihre eingewickelten Brote heraus. Sie goss sich einen großen Schluck heiß dampfenden Tee in ihre Wandertasse. Ihren Becher mit beiden Händen haltend, pustete sie nun ganz sachte über die Teeoberfläche, so dass ihre Brille immer wieder leicht beschlag. Ihr Blick war wieder in die Weite gerichtet. Das war ihre liebste Atemmeditation auf dem Berg. Das beruhigte sie. Wenn sie dann Schluck für Schluck trank, genoss sie es, wie der Tee sie durch die Kehle bis in den Bauch wärmte. Zwischendrin biss sie ab und zu von ihrem Brot ab.

Nachdem sie mit mit dem Essen fertig war, faltete sie das Einwickelpapier zu einem Aluhut. Das war eine alte Gewohnheit von ihr, damit sie bei einem Schauer etwas für den Kopf hatte. Manchmal hatte sie auch Hüte mit Wikingerohren oder Spiralen gebastelt. Wenn sie damit dann nach Hause kam, lachte sich ihr Hermann laut kaputt. So hat eben jeder seinen kleinen Spline.

 

Ein herzliches DANKE an Luise aus der The-Content-Society für die inspirierende „Wörterspende“.