„Kannst du mir bitte mal den Hammer herüberreichen?“
Tom ging ein paar Schritte den Ast entlang und streckte sich zu Maren, um ihr den Hammer zu reichen. Hat es da schon wieder geknackt? Tom horchte. Ihm war der Baum nicht geheuer. Ständig knackte und knarrte es in ihm. Doch Maren wollte unbedingt hier in dieser alten Kirsche ihr lang erträumtes Baumhaus bauen.

„Maren pass bitte auf. Hier auf diesem Ast hat es gerade schon wieder geknackt.“
„Ach Tom, ich weiß. Ich bau mir jetzt hier trotzdem mein Haus. Du musst ja nicht drin schlafen. Wenn es dir zu gefährlich ist, geh doch ins Haus und mach dort weiter. Ich komm hier schon klar.“

Als Kind hatte Maren meistens den größten Teil der Ferien auf dem Dorf ihrer Großeltern verbracht. Dort stand eine alte Zink-Badewanne im Garten. Wenn das Wetter mitspielte, legte ihre Großmutter ihr abends ein paar alte Decken in die Wanne und Maren lag dort drin, bis sie einschlief. Am anderen Morgen erwachte sie dann unter der großen Bettdecke im großen Ehebett neben ihrer Oma. Seit ihr Großvater gestorben war, durfte sie immer neben ihr schlafen. Seit damals träumte sie davon, im Sommer in einem Baumhaus zu schlafen. Sie liebte diese Freiheit so mitten im Rauschen von Blättern im Wind, der Himmel und die Sterne über ihr. Sie hatte keine Angst. Der Baum und sie waren eins.

Tom kletterte von der Leiter, die bis zu den ersten Ästen reichte. Für ihn war das Leben auf Bäumen nichts. Er liebte eher sicheren Boden unter den Füßen. Er ging über die Wiese bis zum Haus. Maren würde sich schon melden, wenn sie seine Hilfe bräuchte. Im letzten Sommer hatten sie beide beschlossen, sich ein kleines Häuschen auf dem Land zu suchen. Sie wollten wenigstens am Wochenende oder im Sommer mehr Zeit außerhalb der quirligen heißen Stadt verbringen. Sein Kollege schickte ihm damals die Anzeige: „Villa kunterbunt in liebevolle Hände abzugeben“.
Maren war sofort begeistert, wollte es sofort kaufen. Das Haus sah zwar ziemlich heruntergekommen aus, doch sie waren beide handwerklich begabt. So hatten sie in den letzten Monaten die Außenfassade repariert, das Dach ausgebessert und die Fensterläden neu gestrichen. Auch innen gab es einiges zu tun. Doch es hat sich gelohnt. Sie hatten abgemacht, dass jeder einen Raum ganz für sich gestalten durfte. In Marens Zimmer strahlte gold und rot von den Wänden. Nicht nur auf dem Fensterbrett, nein überall standen und hingen schöne zum Teil ungewöhnliche Dinge, denn Maren hatte die Angewohnheit, sich von jeder Reise etwas als Erinnerung mitzubringen. Sie sagte immer, dass würde ihre Sehnsucht nach der Ferne ein wenig bändigen.
Toms Zimmer war dagegen sehr schlicht. Bis auf sein Bett und einen Tisch für seinen Laptop standen nur noch zwei alte afrikanische Stühle im Raum. Die Wände hatte er in zartem grau gestrichen. Nur bei Küche, Bad und Wohnzimmer galt das Prinzip der Abstimmung. Viele Nächte haben sie über Katalogen gehockt, um Fliesen auszuwählen oder Schränke und anderes Mobiliar zu bestellen. Nun waren sie fast überall fertig. In ein paar Wochen wollten sie ihre Freunde übers Wochenende zu einer Einweihungsparty laden. Bis dahin sollte auch das Baumhaus im Garten fertig sein.

Maren und ihr Baumhaus, dachte Tom. Wie oft hatte sie ihm mit allen Details davon vorgeschwärmt. Jetzt endlich nahm es Form an. Er hoffte nur, dass der Baum sie wirklich trägt.

 


Ein herzliches DANKE an Ruth Langer für die inspirierende „Wörterspende“.


 

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