Seit Tagen regnet es in Strömen. Wo kommt nur dieses viele Wasser her. Eine weise Frau hat mir einmal gesagt, dass, wenn die Menschen nicht genug weinen, dies die Natur übernimmt.

Armes Deutschland, hier weint wohl keiner mehr. Dabei hätten wir genug Gründe. Wahrscheinlich haben alle Angst vor einem Wasserschaden und behalten dafür lieber ihren Dachschaden. Wie auch immer, ich stehe zu meinem Geheule und lade alle immer wieder von Herzen gerne mit meinen „Heul doch“-Karten dazu ein. Am Ende des Regenbogens lacht die Sonne! Und der Regenbogen heißt ja nicht umsonst REGEN-Bogen. Lass uns mit unseren Tränen die Erde segnen. Jede Träne, die sich ihren Weg ans Tageslicht erobert und zu Boden fällt, nährt den Boden für wundervoll leuchtende Blumen. Also lass rollen Baby!

Was ist mir denn da schon wieder aus den Fingern geflutscht? Meine ich das wirklich ehrlich? Ich spüre in mich und sage leise Ja. Doch gleich im nächsten Moment ahne ich, dass ich mit diesem Aufruf bei meinem Chef wohl keine Lorbeeren ernten werde. In der Werbung wollen alle nur Lachen, Singen, glücklich sein. Lieber Tralala an der Oberfläche als Hingucken mit Tiefgang. Dabei würde dem einen oder anderen ein bisschen mehr Nachsinnen über ihre Unsinnigkeiten guttun.

Vielleicht würde der eine oder andere dann auch mal seinen Mund halten, wenn ihm bewusst wäre, wie viel Schwachsinn über seine Lippen rauscht, ungefiltert, brachial, hemmungslos. Ob es meine Kollegen schaffen würden, in der nächsten Mitarbeiterbesprechung mal 2 min einen Raum der Stille zu halten? Das wäre eine Herausforderung. Meist zeigen sich ja schon vor der Sitzung gockelhafte Ansätze, die dann in einzelnen Testosteronausbrüchen ihren Höhepunkt finden. Oft muss ich spätestens nach dem zweiten Anfall die Fenster öffnen, sonst wird der Feueralarm ausgelöst, bei so viel sturer Bockigkeit, wer denn der Beste sei.

Wie gut, dass ich in diesen Sitzungen nur das Protokoll schreiben muss und dass sie nur einmal in der Woche stattfinden. Öfter würde ich das auch gar nicht aushalten. Es ist schon erstaunlich, denn wenn ich mit ihnen einzeln unterwegs bin, sind sie doch sehr zuvorkommend und liebenswert. Ist das ein kollektives Herdenverhalten? Alleine geht’s, doch zusammen ist nichts möglich? Worüber ich mir schon wieder den Kopf zerbreche.

Dabei ist mein Schreibtisch voll mit unerledigtem Zeug. Die Gästeliste für die nächste Ausstellungseröffnung muss geschrieben werden, dazu auch gleich der Serienbrief mit den Einladungen. Und dann soll das ganze Projekt auch noch ins Netz. Damit tue ich mich immer noch schwer. Sie haben es mir zwar am ersten Tag gezeigt, doch das war zusammen mit 100 anderen Sachen. Wer soll sich das denn alles auf einmal merken? Ich habe zwar ganz fleißig alles in mein kleines Buch geschrieben, doch von Routine bin ich noch weit entfernt.

Vollüberflutung. Kein Wunder, dass ich nichts mehr essen kann und andererseits ständig aufs Klo muss. Und nicht zu reden von meinem Freund, dem Zweifler, der mir immer wieder zusetzt, wenn ich es gerade gar nicht brauche. Hey, jetzt reiß dich aber mal am Riemen. Wie hatte Gina es in der letzten Yogastunde beschrieben?: „In dieser Haltung könnt ihr so ganz langsam tief einatmen, dass ihr in euch das friedliche Gurren einer Taube hört.“ Ich setze mich aufrecht hin, stelle beide Beine auf den Boden, ziehe den Beckenboden an, Bauchnabel rein und lege die linke Hand flach auf meine Stirn und drücke mit der rechten mein linkes Ohrläppchen. So halte ich inne.

Auf einmal wird es still im Raum. Alle schauen mich an. Mist. Schade, hätte ja klappen können. Ich merke wie ich rot anlaufe, meine Hände schweißnass werden und ich mich am liebsten unter den Tisch verstecken würde. Ich bin neu hier. Das hat wohl vor mir noch keine gemacht. Na ja ich denke bei mir: ist der Ruf erst ruiniert, lebt es sich ganz ungeniert. Warum mache ich mir eigentlich immer noch so viel Gedanken, was die anderen von mir denken. Stopp. Ab jetzt ist es mir einfach egal. Basta. Ich will leben. Also LIEBEN. Ab jetzt für immer.

 


 

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