Die Türglocke im Salon schellte. Klara schaute kurz hoch und nickte der Frau mit dem Turban auf dem Kopf grüßend zu.

„Einen Moment bitte. Sie können sich gerne schon dort hinten hinsetzen. Ich brauche hier noch kurz.“

Sie bestrich noch schnell die letzten Strähnen mit Farbe, bevor sie sie in Stanniolpapier wickelte.

„So Frau Jeschke, wir sind jetzt erst einmal fertig. Wenn sie wollen können sie sich draußen in die Sonne setzen. Die Farbe muss jetzt mal einwirken. Marie bringt ihnen gerne auch noch einen Kaffee.“

Frau Jeschke brummte etwas und erhob sich schwerfällig aus dem Stuhl. Aus ihren Latschen klafften ihre zu großen roten Stoppersocken. Seit sie Diabetes hatte, konnte sie sich nicht mehr zum Schuhe zumachen bücken. Da wurde die Schuhwahl kleiner. Zu Hause lief sie nur noch in den Socken mit Stopperpunkten, bis über die Straße mussten die Latschen reichen. Klara gab ihrer Tochter Marie hinterm Vorhang ein Zeichen, dass sie einen Kaffee bringen sollte und wandte sich der neuen Kundin zu.

„Was kann ich für sie tun?“

Die Frau schaute sie mit rot geränderten Augen an und begann vorsichtig den Turban abzuwickeln. Ein kurzer Blick reichte aus, dass Klara das Drama erkannte. Eine riesige Haarwurzelentzündung am Hinterkopf. Das sah schmerzhaft aus.

„Haben sie sich die Haare dort selbst entfernt?“

Die Frau nickte schüchtern. Es tat so weh, da habe ich einfach die Schere genommen und alles drum herum abgeschnitten und den Pickel aufgedrückt.

Klara kannte das Dilemma. Es war ein Dauerbrenner in ihrem Salon. Doch dieses Mal sah die Stelle besonders schlimm aus.

„Seit wann ist das so entzündet? Damit müssen sie zum Arzt gehen, da kann ich ihnen nicht helfen.“

„Meine Freundin hat aber gesagt, dass sie ihr auch schon einmal mit Kräutern und Salben geholfen haben. Können sie es nicht wenigstens probieren? Ich will nicht zum Arzt. Das ist mir viel zu peinlich.“

Klara kannte ihren Ruf. Bevor sie diesen Laden eröffnet hatte, unterhielt sie eine Heilpraxis für Alternativmedizin. Bis heute schickten ihr ihre alten Kunden neue Patienten. Die Mundpropaganda funktionierte immer noch gut.

„Nein, es tut mir leid, aber hier hört meine Zauberei auf. Die Wunde hat sich entzündet. Das muss sich ernsthaft ein Arzt ansehen. Damit stoße ich an meine Grenzen. Das mach ich nicht.“

Die Frau band sich enttäuscht wieder ihren Turban um den Kopf. Klara wollte ihr dabei helfen, doch die wütenden Augen der Frau hielten sie davon ab, noch etwas zu sagen. Sie begleitete sie noch bis zur Tür und verabschiedete sich.

„So Frau Jeschke, jetzt können wir gerne weiter machen. Wo waren wir vorhin im Gespräch stehengeblieben? Ihr Sohn kommt sie bald mal wieder besuchen … „

Klara wischte die Gedanken an die Frau mit dem Turban wieder weg, setzte ihr Lächeln auf und half Frau Jeschke von der Bank aufzustehen. Sie wusste, warum sie damals ihre Heilpraxis aufgegeben hatte.

 


 

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