4-Wort-Story: Katze, Gewitter, Musik, Wichtel

4-Wort-Story: Katze, Gewitter, Musik, Wichtel

Merlin lehnte sich an den alten Baum in seinem Garten. Er war müde. Nicht nur, weil er in dieser Nacht kaum zum Schlafen gekommen war. Nein, auch weil er nun schon seit Stunden auf der Suche nach Freya war. Seine schwarze Katze hatte in der letzten Nacht im Hause so rumort, dass er sie kurzerhand irgendwann vor die Tür gesetzt hatte. Jetzt war sie weg. Nach so einem Rauswurf sah sie ihn meistens ein wenig fauchend an, dreht sich beleidigt um und ging ein wenig stromern. Doch am Morgen saß sie meist wieder an seinem Fenster und mauzte so lange, bis er ihr etwas Milch hinstellte. Doch jetzt war es schon fast Abend und sie war immer noch verschwunden. Merlin machte sich Sorgen. Das kannte er nicht von ihr. Bald würde es dunkel werden und der Wetterbericht im Radio hatte für die Nacht Gewitter vorhergesagt. Er wusste, Freya mochte kein Gewitter im Draußen. Sobald es anfing zu donnern, kroch sie unter seine Daunendecke und ward nicht mehr gesehen, bis sich die Blitze und der Donner wieder verzogen hatten. Er wollte sie unbedingt vorher finden.

Er ging ins Haus und zog sich die alten Gummistiefel über. Irgendwo musste sie ja sein. Er würde noch einmal eine große Runde drehen, vielleicht war sie irgendwo in eine Spalte gefallen oder war in eine der neu aufgestellten Fallen getreten. Seit der Gemeindeförster für den umliegenden Wald Ranger eingestellt hatte, war nichts mehr so wie früher. Das neue Waldwirtschaftskonzept wurde umgesetzt, egal ob es den Anwohnern gefiel. Im Waldkauz, der alten Dorfkneipe, wurde oft darüber diskutiert. Das neue Motto hieß: der Wald wird aufgeräumt. Merlin schüttelte dann nur den Kopf und murmelte: Natur bleibt Natur. Die räumt sich von selbst auf. Da sollten sich bürokratische Menschenhände raushalten. Er war schon als kleines Kind dort umhergetollt, hatten mit den Wichteln verstecke gespielt, Baumhöhlen gebaut, mit seinem Vater im Wald übernachtet. Er kannte seinen Wald in- und auswendig. Doch das war lange her. Sein Vater war nun schon lange tot, doch die Erinnerungen an die Erlebnisse mit ihn blieben in ihm lebendig. Für diese Erfahrung war er seinem Vater sehr dankbar. Wenn er heute die jungen Menschen mit ihren Handys auf der Straße beobachtete, war er oft irritiert. Er dachte sich dann: was die alles verpassen. Sie haben ihre Stöpsel mit lauter Musik im Ohr, hören nicht die Vögel, wie sie musizieren. Sie kennen nicht die Pflanzen ihrer Umgebung. Wissen nicht, ob sie essbar sind oder giftig. Sehen nicht das Wunder der Verwandlung, welches die Natur im Kreis der Jahreszeiten vollzieht.

Vor zwei Jahren hatte er der Gemeinde für die umliegenden Schulen ein Konzept für eine Projektwoche zum Thema „Im Wald lernen“ angeboten. Er wollte etwas tun, die Kinder wieder mehr vom Sein in der Natur begeistern. Doch der Direktor war davon nicht überzeugt. „Kann man doch alles bei Wikipedia nachlesen“, war seine Antwort. Kein Wunder, ist er doch ganz dicke mit dem Gemeindeförster befreundet.

Er verließ den Dorfweg Richtung Mühle. Sie lag schon lange still. Das Dach war schon löchrig, die Tür mit einem dicken Vorhängeschloss gesichert. Der Ort war ein beliebter Treffpunkt der Jugendlichen aus den umliegenden Dörfern. Sie hockten dort unter dem Vordach des alten Hauses zusammen, aus ihren Bluetooth-Boxen dröhnten ihre Lieder. Hier störten sie keinen. Sie hatten dort ihr Bleiberecht.

Von weitem sah er einen schwarzen Fleck auf dem Brunnenrand. Er ging ein paar Schritte schneller.
„Da bist du ja, du kleine Ausreißerin“, rief er schon von weitem. Freya mauzte und sprang auf die Erde in seine Richtung. Ihr Fell war nass und sie sah ein wenig zerzaust aus. Wenn sie Menschensprache sprechen könnte, würde sie ihm bestimmt das tolle Abenteuer, das sie erlebt hatte, erzählen. Er hockte sich zu ihr nieder und sie sprang auf seinen Arm. Sofort kroch sie in seine offene Wolljacke und machte es sich in seiner warmen Armbeuge bequem. Merlin war glücklich. Ein Leben ohne seine Freya mochte er sich gar nicht vorstellen.

 


Ein herzliches DANKE an Veronika aus der The-Content-Society für die inspirierende „Wörterspende“.


 

Diese kleine Kurzgeschichte hat dich inspiriert oder berührt?

Manchmal klingen sie auch noch in dir nach oder regen dich selbst zum kreativen Schreiben oder Gestalten an?

Du möchtest mir deine Form der Wertschätzung in Form einer Tasse Tee oder Kaffee zukommen lassen?

 

Gerne kannst du mir diese symbolische Tasse Kaffee oder Tee über Paypal zukommen lassen.

Ich danke dir für deine Unterstützung und Großzügigkeit.

4-Wort-Story: Gartenzwerg, Mondschein, Liebestrank, Sommerfest

4-Wort-Story: Gartenzwerg, Mondschein, Liebestrank, Sommerfest

Svenja schloss die Tür zu ihrem Laden auf. Nach der langen verkaufsfreien Zeit aufgrund des verordneten Lockdowns tat es ihr gut, wieder in den Rhythmus des Lebens zurückzukehren. Im Verkaufsraum stand immer noch die stickige Luft der monatelangen Schließung. Die neue Ware lag noch in Kisten verpackt im hinteren Raum. Sie musste dafür erst einmal Platz schaffen. Das Alte raus, das Neue rein. Doch es fiel ihr nicht leicht. In den letzten Monaten war viel in ihrem Umfeld passiert, auch das wollte erst einmal verdaut werden. Diese C-Zeit, wie Svenja sie immer nannte, hatte es in sich. Doch das ausgesprochene C-Wort war in ihrem Laden tabu. Wenigstens hier wollte sie einen schönen Raum schaffen, in dem die Sorgen und Nöte für eine kurze Zeit auch einmal draußen bleiben konnten.

Sie sicherte die Alarmanlage und platzierte den hüfthohen Gartenzwerg wie jeden Tag als Türstopper und Willkommensgruß am Türende. Den hatte sie von ihrem Vorbesitzer übernommen. In seiner offenen Hand hielt er für die hereintretenden Kunden ihre Visitenkarten bereit. Denn neben ihrem kleinen schöne-Dinge-Laden bot sie auch Massagen und Wanderungen bei Mondschein an. Vor allem die Wanderungen waren vor der C-Zeit oft schon lange im Voraus ausgebucht gewesen. Mit dieser Idee hatte sie eine Nische getroffen. Wanderungen bei Tageslicht gab es hier im Kurort viele. Doch sie hatte die Erfahrung gemacht, dass sich bei Nacht nicht viele Menschen in den Park oder umliegenden Lichtungen trauten. Dabei gab es gerade während dieser Zeit dort so viel zu entdecken. Kurzum beschloss sie, diese Wanderungen in ihr Programm aufzunehmen.

Sie ging durch die Hintertür in den Hausflur und öffnete den Briefkasten. Ein Abholschein der Post fiel ihr entgegen. Das müssten die Flyer für das Sommerfest sein, dachte sie. Nachdem im letzten Jahr das Fest C-bedingt ausgefallen war, sollte es dieses Jahr im August auf jeden Fall wieder stattfinden. Die Vorbereitungen liefen. Es wurde überall im Ort geprobt und auf dem Marktplatz nahm die Bühne immer mehr Form an. Das Sommerfest in ihrer Stadt war berühmt in dieser Gegend. Ein Treffpunkt für alle umliegenden Dörfer und Städtchen. Nach dem langen Abstandhalten freute sich dieses Jahr jeder darauf. Auch Svenja, denn sie hatte sich wieder für den Stand an ihrem Lieblingsplatz angemeldet. Der lag gleich neben dem ihrer Freundin, die auch dieses Jahr dort wieder ihren besonderen Liebestrank anbieten wollte. Sie braute diesen nach einem alten Rezept, was sie von einer weisen Alten auf einer ihrer Reisen in fernöstliche Regionen mitgebracht hatte. Selbst Svenja als ihre gute Freundin hat sie bis heute nicht die Inhaltsstoffe des Trunkes verraten. Doch jedes Jahr standen die Besucher Schlange an ihrem Stand, was sich auch auf den Umsatz von Svenjas Stand positiv ausgewirkte. Sie hoffte nicht nur auf einen guten Umsatz. Auch auf das Lachen mit ihrer Freundin, denn sie hatten sich in letzter Zeit nicht mehr so oft gesehen, wie früher.

Sie schloss die Hintertür und machte sich an die Arbeit. Als erstes wollte sie heute das Regal neben den Tüchern aus Afrika auf Vordermann bringen. Beim Anblick der silberpulvrigen Staubschicht auf den kleinen Buddhas und Figuren aus Speckstein zog sie die Augenbrauen hoch. Das wird dauern, dachte sie.
Wenn du fertig bist, wird es wieder ganz schön aussehen. Da war sie wieder: ihre Optimismusstimme aus dem Off.
Okay, Ärmel hoch und ran an die Arbeit. Ich hatte die letzten Wochen ja genug Zeit zum mich ausruhen.

 


Ein herzliches DANKE an Susanne aus der The-Content-Society für die inspirierende „Wörterspende“.


 

Diese kleine Kurzgeschichte hat dich inspiriert oder berührt?

Manchmal klingen sie auch noch in dir nach oder regen dich selbst zum kreativen Schreiben oder Gestalten an?

Du möchtest mir deine Form der Wertschätzung in Form einer Tasse Tee oder Kaffee zukommen lassen?

 

Gerne kannst du mir diese symbolische Tasse Kaffee oder Tee über Paypal zukommen lassen.

Ich danke dir für deine Unterstützung und Großzügigkeit.

4-Wort-Story: Bibliothek, Hundeschnauze, vegan, Sellerie

4-Wort-Story: Bibliothek, Hundeschnauze, vegan, Sellerie

Das Wetter ließ zu wünschen übrig. Es regnete nun schon die zweite Woche hintereinander. Ihren Urlaub hatte sich Linda anders vorgestellt: Sommer, Sonne, Baden. Stattdessen gab es Kälte, Regen, Kaminfeuer. Zum Glück hatte das kleine Haus, was sie an der schottischen Küste gemietet hatten, eine wundervolle Bibliothek zu bieten.

So machte Linda seit ein paar Tagen aus dieser Not eine Tugend. Sie warf sich jeden Morgen nach dem Aufwachen nur ihren Morgenmantel über den Pyjama, wanderte barfuß über den Gang bis zum Reich der Bücher und lies sich dort in den großen Ohrensessel fallen. Eine gesteppte Patchworkdecke aus Lammfellwolle und das Buch vom Abend warteten dort schon auf sie. Meist glimmte im Kamin auch noch ein Rest vom Vorabend und sie musste auf dem Weg zum Sessel nur ein paar Holzscheite nachlegen, damit es wieder zu knistern begann.

Mark war zu der Zeit meist schon mit Charlie die erste Runde laufen. Er liebte es vor Sonnenaufgang aufzustehen. Für ihn war es egal, ob er zu Hause oder im Urlaub war. Seine innere Uhr tickte nach seinem Rhythmus. Und diesem wollte er folgen. Außerdem hatte sich Charlie von klein auf angewöhnt, ihn mit seiner Hundeschnauze zu wecken. Die beiden war ein Herz und eine Seele. Wenn sich Charlie zwischen beiden entscheiden müsste, wäre Linda nur die zweite Wahl. Doch sie liebte Charlie genauso wie Mark, war er doch ihr Ersatz für den zerplatzten Kinderwunsch.

Auf einmal hörte sie, wie unten im Flur die Türen klapperten. Kurz darauf stand Charlie mit triefnassem Fell vor ihr und schüttelte sich.

„Oh nein Charlie, nicht hier. Geh runter. Hier nicht!“ rief sie und stupste ihn Richtung Tür.

„Mark, ruf ihn bitte zu dir“ rief sie nach unten.

„Möchtest du heute deinen Smoothie mit Spinat oder mit Sellerie?“ kam es von unten aus der Küche zurück.

„Bitte Mark, ruf Charlie zu dir“. Sie wandte sich nochmals zu Charlie, doch der hatte sich schon auf seinen Platz vor dem Kamin lang ausgestreckt hingelegt und schaute zufrieden zu ihr.

In Linda braute sich eine kleine Wutwolke zusammen. Jeden Tag war es dasselbe. Mark kam nach seiner Runde mit Charlie gutgelaunt zurück und dachte nur noch ans Essen. Seit sie sich auf vegane Ernährung umgestellt hatten, hielt er sich strickt an alle Ernährungsempfehlungen. Dabei vergaß er gerne mal alle Regeln der Hundeschule. Das war seitdem Lindas Aufgabe. Grummelnd stand sie auf, schloss ihren Morgenmantel und lief ins Bad, um ein Handtuch für Charlie zu holen. Auf dem Rückweg kam Mark gerade mit dem Frühstückstablett die Treppe nach oben. Sie sah zwei Gläser und daneben zwei leckere gefüllte Pfannkuchen. Der Duft der Pfannkuchen schob sich in ihre Nase.

„Schatz, du darfst wählen: Spinat oder Sellerie?“  Sein spitzbübisches Lächeln entwaffnete sie. Sofort war sie wieder seinem Charme erlegen. Sie wusste, was sie beide alles schon miteinander durchgemacht hatten. Was regte sie sich da über diese Kleinigkeit auf. Sie wusste, Mark liebte sie und trug sie auf Händen.

„Lass mich erst noch kurz Charlie versorgen und dann essen wir zusammen. Danke für das Frühstück machen. Das sieht wieder so was von lecker und gesund aus.“

Sie schob sich an ihm vorbei und ging zurück in die Bibliothek, wo Charlie immer noch träumend vor dem Kamin lag. Sie rubbelte sein Fell und murmelte: „Ach du bist schon unser bester liebster Charlie.“ Charlie antwortete ihr mit einem kurzen Brummen, gab ihr einen Hundekuss auf den Hals und ließ die Prozedur über sich ergehen.

 


Ein herzliches DANKE an Dina aus der The-Content-Society für die inspirierende „Wörterspende“.


 

Diese kleine Kurzgeschichte hat dich inspiriert oder berührt?

Manchmal klingen sie auch noch in dir nach oder regen dich selbst zum kreativen Schreiben oder Gestalten an?

Du möchtest mir deine Form der Wertschätzung in Form einer Tasse Tee oder Kaffee zukommen lassen?

 

Gerne kannst du mir diese symbolische Tasse Kaffee oder Tee über Paypal zukommen lassen.

Ich danke dir für deine Unterstützung und Großzügigkeit.

4-Wort-Story: Sahnebonbon, Sonne, Lebensfreude, Aluhut

4-Wort-Story: Sahnebonbon, Sonne, Lebensfreude, Aluhut

Luise saß gedankenversunken auf ihrer Lieblingsbank. Der weite Blick über das tiefe Tal bis hinüber zu den schneebedeckten Berge, das gab ihr immer viel Kraft.

Lange war sie nicht mehr bis hierhin gelaufen. Die Alm lag in diesem Jahr bis weit in den Mai im frostigen Schneegewand, jetzt hatte die Sonne endlich auch die letzten weißen Fetzen auftauen lassen. Ihre Füße wollten zwar den Weg nicht mehr so flink wie früher in die höchsten Weiten wandern, doch mit jedem Schritt nach oben, wurde sie mutiger. Nach der Hüft-OP im letzten Herbst meinten die Ärzte sie sollte ab jetzt vorsichtiger sein. Doch darauf gab Luise wenig.

„Die Luise hatte schon immer ihren eigenen Kopf“ würde jetzt ihr Hermann brummeln.

So packte sie heute Morgen kurz entschlossen ihren Wanderrucksack mit dem Nötigsten, legte ihrem Hermann einen schnell auf einen Zettel gekritzelten Gruß auf den Küchentisch und wanderte los. Sie wollte sich ihre Lebensfreude nicht durch die begrenzten Aussagen wichtigtuender Ärzte austreiben lassen. Sie kannte ihren Körper, hat ihn im Laufe der Jahre lieben gelernt. Und sie wusste, eines liebte ihre Körper am meisten: Bewegung. Am besten draußen in den Bergen.

Ihr Ziel stand fest. Sie kannte die Wege hier wie ihre Westentasche. An jeder Kreuzung blieb sie stehen, hielt inne und entschloss erst in dem Moment, welchen Weg sie als nächstes nehmen würde, um bis zu ihrer Bank zu gelangen. Sie ließ sich treiben, hörte das Kuhgebimmel aus der Ferne, das weiche Schellen der Dorfkirchenglocken zu jeder Stunde, die Schmetterlinge kreuzten ihre Wege und tanzten über den Blumen. Der Wind blies leicht, die Bienen summten ein Lied. Mit einem Mal fiel ihr auf, wie sehr sie diese stille Vertrautheit mit der Natur vermisst hatte.

Dann war er da, der Moment, auf den sie sich den ganzen langen Weg über gefreut hatte. Ihre Bank, sie stand immer noch an derselben Stelle wie beim letzten Mal. Sie war ihre geheime Vertraute. Wie oft saß sie schon auf ihr und hat dort ihre Freude und ihr Leid geteilt, auch unzählige Gebete in den Himmel gestoßen.

Dieser Ort mit der Bank war ihr sicherster Ort. Hier fühlte sie sich verbunden mit allem. Als sie vor 40 Jahren ihren Hermann kennengelernt hatte, trafen sie sich am Anfang heimlich dort. Hier hat er ihr auch seinen Heiratsantrag gemacht. Hermann war damals nur ein einfacher Almhirte, doch er hatte immer etwas Lustiges in seinen Hosentaschen versteckt.

Als er ihr den Heiratsantrag machte, fragte er sie frech: „Willst du die rechte oder die linke Hand“. Er stand dabei, beide Hände tief in seinen Hosentaschen vergraben, siegessicher strahlend vor ihr.

Sie sagte „links“ und er grinste, zog die linke Hand heraus und hielt ihr einen Ring entgegen. Sie konnte es damals im ersten Moment gar nicht fassen.

Doch ohne zögern sagte sie: JA, ich will und sie fielen sich in die Arme. An das Gefühl der blubbernden Glücksperlen in ihr kann sie sich bis heute erinnern.

Später fragte Luise ihn, was er denn in der rechten Hand gehabt hätte. Da grinste er wieder.

„Dann hätte mein Heiratsantrag noch warten müssen und ich hätte dir nur einen deiner Lieblings-Sahnebonbons geschenkt.“

So war er eben, ihr Hermann, und dafür liebte sie ihn.

Luise öffnete ihren Rucksack, zog die Thermoskanne und ihre eingewickelten Brote heraus. Sie goss sich einen großen Schluck heiß dampfenden Tee in ihre Wandertasse. Ihren Becher mit beiden Händen haltend, pustete sie nun ganz sachte über die Teeoberfläche, so dass ihre Brille immer wieder leicht beschlag. Ihr Blick war wieder in die Weite gerichtet. Das war ihre liebste Atemmeditation auf dem Berg. Das beruhigte sie. Wenn sie dann Schluck für Schluck trank, genoss sie es, wie der Tee sie durch die Kehle bis in den Bauch wärmte. Zwischendrin biss sie ab und zu von ihrem Brot ab.

Nachdem sie mit mit dem Essen fertig war, faltete sie das Einwickelpapier zu einem Aluhut. Das war eine alte Gewohnheit von ihr, damit sie bei einem Schauer etwas für den Kopf hatte. Manchmal hatte sie auch Hüte mit Wikingerohren oder Spiralen gebastelt. Wenn sie damit dann nach Hause kam, lachte sich ihr Hermann laut kaputt. So hat eben jeder seinen kleinen Spline.

 

Ein herzliches DANKE an Luise aus der The-Content-Society für die inspirierende „Wörterspende“.

4-Wort-Story: Schublade, Ordnung, Kategorie, Verletzung

4-Wort-Story: Schublade, Ordnung, Kategorie, Verletzung

Ihr Büro lag am Ende des Ganges. Nach dem Umzug ins neue Haus, war sie froh, mit ihrem Schreibtisch nicht mehr im Trubel mittendrin sitzen zu müssen. Endlich ihr eigenes Büro, ihre eigene Ordnung. Jahrelang hatte sie mit diesem Wunsch ihrem Chef im Ohr gelegen, nun hatte sich ihr Traum verwirklicht. Hier hatte sie endlich die Ruhe, die sie für ihre Arbeit brauchte, auch wenn nun nicht mehr alle Nachrichten brühwarm um ihre Ohren wehten. Sie vertraute darauf, dass das, was für sie wichtig wäre, den Weg zu ihr finden würde. Ihre FoMo, die Angst etwas zu verpassen, hatte sie nicht mehr im Griff. Sie hatte sie überwunden. Nur noch selten bekam sie deswegen Herzrasen. Vor allem seit sie das Meditationsritual am Morgen für sich entdeckt hatte, konnte sie viel besser die Dinge einfach geschehen lassen. Das tat ihr gut. Das wollte sie nicht mehr missen. Früher hätte sie solche Rituale sofort in die Schublade „Esoterik“ gepackt. Heute weiß sie es besser.

Auf ihrem Schreibtisch lagen wild durcheinander alle möglichen Spickzettel zum Thema „Folgen eines Unfalls auf die Beziehung und das Umfeld“. Die nächste Ausgabe der Zeitschrift sollte die Auswirkungen von Verletzungen beleuchten. Das Thema hatte sie sofort begeistert. Als der Chef es in der Redaktionskonferenz vorgestellt hatte, fingen ihre Augen sofort an zu leuchten. Sie melde sich sofort für den Auftaktartikel. Immerhin hatte sie mit diesem Thema selbst erlebte Erfahrungen, wusste wie sich ein Unfalltrauma auf alle Beziehungen des Betroffenen auswirkt. Darüber wollte sie schreiben.

Die Tür ging auf. Erik, ihr Chefredakteur, steckt den Kopf durch den Türspalt. „Hast du mal kurz eine Sekunde?“

Marie wusste, das mit der Sekunde war ein Witz. Wenn sie jetzt ja sagt, ist der Nachmittag zum Schreiben gelaufen.

„Ist es wirklich so wichtig? Eigentlich habe ich keine Zeit. Ich will heute unbedingt noch den Artikel für den Auftakt fertig schreiben.“

„Marie, komm schon. Den Artikel schüttelst du doch auch noch in 30 min aus dem Ärmel. Ich kenn dich doch.“

Marie stöhnte. Das war jetzt wieder einmal ein Aktion aus der Kategorie „Übergriff“. Erik wusste, dass sie ihm nichts abschlagen konnte. Er war ihr Chef. Sie kannten sich schon lange. Nicht nur aus dem Büro. Es gab Zeiten, da hätte Marie alles für ihn getan. Daher kannte sie die Gefahr. Schon länger dachte sie deshalb daran, die Redaktion zu verlassen. Nicht weil ihr die Arbeit nicht gefallen würde, ganz im Gegenteil, hier konnte sie über das Schreiben, was sie bewegte, sondern weil sie sich vor 2 Jahren nicht selbst treu geblieben war. Sie kannte das Gebot: Never fuck in the company. Und doch ist sie damals schwach geworden. Sie hatten einen wundervollen Sommer zusammen. Doch er wollte nur eine neue Trophäe in seiner Sammlung. Sie hatte von mehr geträumt, war damals so naiv und blauäugig. Seitdem kannte er viel zu genau ihre Schwachstellen. Wieder einmal blitzte kurz der verlockende Gedanke des sich endlich selbständig Machens in ihr auf. Doch jetzt hatte sie doch gerade erst ihr schönes neues Büro in der Redaktion bezogen.

„Okay, Erik. Aber wirklich nur 10 Minuten“

Grinsend schloss Erik hinter sich die Tür. Er hatte es wieder geschafft. Sie würde ihm auch weiterhin die Treue halten.

 


Ein herzliches DANKE an Silke aus der The-Content-Society für die inspirierende „Wörterspende“.


 

Diese kleine Kurzgeschichte hat dich inspiriert oder berührt?

Manchmal klingen sie auch noch in dir nach oder regen dich selbst zum kreativen Schreiben oder Gestalten an?

Du möchtest mir deine Form der Wertschätzung in Form einer Tasse Tee oder Kaffee zukommen lassen?

 

Gerne kannst du mir diese symbolische Tasse Kaffee oder Tee über Paypal zukommen lassen.

Ich danke dir für deine Unterstützung und Großzügigkeit.