Das 7. Türchen im Blog-Adventskalender

 

Wie schön, dass ich dich auch in diesem Jahr an diesem 2. Advent mit einer kleinen Geschichte verzaubern darf.

Die Tage bis zu Heiligabend sind bei den meisten noch einmal mit vielen Terminen angefüllt.

Umso mehr möchte ich dich einladen, heute zwischendrin kurz innezuhalten, dich entspannt bei einem Tee oder Kaffee, mit oder ohne Plätzchen, zurückzulehnen und dich auf meine kleine 4-Wort-Story einzulassen.

Ich wünsche dir viel Freude beim Lesen.   

Dieses Jahr hat mir die liebe Susanne Heinen die notwendigen vier Worte für eine 4-Wort-Story geschenkt.

 

Vielleicht hast du ja nach dem Lesen der Geschichte Lust, dich an unserer gemeinsamen Jahresaktion: mehr Farbe ins Grau – die Farbkreisreise und 4 Worte. 1 Storyim Dezember geht es um die Farbe GOLDzu beteiligen.

Von Gedicht, Elfchen, Haiku oder Kurzgeschichte ist alles erlaubt.

 

Doch jetzt geht es erst einmal los mit meiner kleinen Geschichte … 

 

 

 

José trommelte jetzt schon seit einer Stunde auf seiner Tambora. Er hatte gehofft, dass er mit seiner sanften Musik Maria beruhigen konnte. Doch sie saß immer noch erschöpft auf ihren Stuhl. Das Kind im Bauch strampelte und stieß ihr entweder gegen den Magen oder gegen die Blase.

Bei ihm zu Hause in Mexiko würde er jetzt zu seiner Großmutter Tizia gehen und sich von ihr Kräuter geben lassen. Doch Mexiko war weit weg. Er wäre jetzt am liebsten dort, doch Maria wollte ihr Kind unbedingt in Deutschland zur Welt bringen. So waren sie im September nach Fulda, wo ihre Eltern lebten, geflogen und wollten hier überwintern, bis das Baby da war und dann wieder zurück nach Mexiko gehen. 

Das war der Plan gewesen, doch Maria ging es seit der Rückkehr immer schlechter. Ihre Mutter klebte förmlich an ihr und wusste für sie alle immer alles besser. Mach dies so … das ist für das Baby nicht gut … oder das ist für das Baby besonders gut … José wollte ihr helfen, wollte sie beschützen, doch für Marias Mutter war er Luft. Als hätte er es geahnt, hatte er darauf bestanden, dass sie sich eine eigene Wohnung suchen und nicht im Haus ihrer Eltern wohnen würden. 

 

Maria war in Mexiko so glücklich gewesen. Sie strahlte über alle Ohren, als sie den Befund von der Frauenärztin bekam. Sie war für ein Auslandsjahr zum Studieren nach Mexiko gekommen. An der Uni hatten sie sich kennengelernt und sich sofort ineinander verliebt. Schon nach einem Monat nahm José sie an einem Wochenende mit in das Dorf, wo er groß geworden war. Er wollte Maria unbedingt seiner Großmutter vorstellen. 

Tizia hatte ihn zu sich genommen, als seine Eltern eines Tages von einem Ausflug in die Stadt nicht zurückgekommen waren. Er war ihr Ein und Alles und sie hatten eine tiefe Verbundenheit miteinander. Diese Nähe ließ sich nicht mit Worten beschreiben. Als ob sie sich schon in einem anderen Leben begegnet wären.

Der Verlust der Eltern hatte die beiden zusammengeschweißt. Doch jetzt war er erwachsen und kam nur noch am Wochenende ins Dorf, um sie zu besuchen. Daher beäugte Tizia Maria beim ersten Kennenlernen intensiv. Sie schaute ihr tief in die Augen. War sie die Richtige für ihren José? Es dauerte nicht lange, bis Tizia ihr Herz für Maria öffnete und sie im Haus jederzeit willkommen hieß.

Sie hatte auch Verständnis dafür, dass Maria ihr Kind im Kreise ihrer Familie zur Welt bringen wollte, doch irgendwas in ihr, sagte ihr, dass sie sie viel lieber hier in Mexiko bei sich in der Nähe behalten hätte.   

Gestern erst hatte Tizia mit José kurz telefoniert und er hatte ihr von der melancholischen Stimmung bei Maria erzählt. Sie riet ihm, ihr die alten heiligen Lieder auf der Trommel vorzuspielen, damit sie und das Kind sich beruhigen würden. Er solle ihr auch einen Heiltrunk aus einem Ableger des Kaktus kochen, den sie ihm vor der Abreise noch mitgegeben hatte. Dieser würde die niederdrückende Stimmung vertreiben. 

Marias Mutter hatte nach ihrem ersten Besuch in ihrer Wohnung den Kaktus sofort vor die Tür gestellt. So etwas Stacheliges kann nicht gut sein für ihr Kind. Auch solle José seinen ganzen mexikanischen Kram, wie sie seine Sachen nannte, aus dem Wohnzimmer räumen. Maria saß währenddessen nur still auf dem Sofa. All ihr Leuchten war aus ihr gewichen.

Stattdessen hörte er ihre Mutter sagen: „Liebling, ich habe Pfarrer Frensius gebeten, für dich am Sonntag dein Lieblingslied auf der Kirchenorgel zu spielen. Du kommst doch wieder mit in die Kirche? Du weißt ja, wie sehr sich dein Vater und ich darüber freuen, dich wieder in unserer Nähe zu haben.“

Was war geschehen, er erkannte seine Maria nicht wieder. Sie saß wie erstarrt da und nickte ihrer Mutter nur zu. Kaum war ihre Mutter weg, taute Maria wieder auf und sie unterhielten sich wie sonst.
Er fragte sie, ob alles in Ordnung sei, doch er spürte, auch ohne eine Antwort von ihr, dass sie etwas bedrückte. 

„Kann ich etwas für dich tun, dir helfen?“ Sie schüttelte nur den Kopf. Da muss ich alleine durch, dachte sie. In der Zeit in Mexiko hatte sie total vergessen, wie eng und bedrückend es ihr mit ihren Eltern ging. Sie hatte gehofft, dass der Umstand, dass sie Großeltern werden würden, die strenge Härte in ihren Herzen mildern würde. Doch nichts hatte sich geändert. Sie hatten nichts begriffen, ihren fluchtartigen Weggang nicht verstanden. Sie hätte sich so sehr gewünscht, dass sie sich für sie freuen würden, doch das war eine Illusion. Wenn sie doch bloß nicht so eine Angst vor einer Geburt in Mexiko auf dem Dorf hätte.  

José hatte ihr in der Küche nach der Anleitung seiner Großmutter einen Sud aus einem Kaktusblatt gebraut.  

Hier, das hat mir Tizia gestern am Telefon für dich empfohlen. Es ist aus dem Kaktus, den sie uns für den Notfall mitgegeben hat. Wenn du das trinkst, wird es dir wieder besser gehen. Vertrau mir, Tizia würde dir nichts empfehlen, was dir nicht guttäte. Sie sieht mehr als du ahnst. Wie gerne hätte sie, dass wir wieder zu ihr zurückkämen und das Baby bei ihr im Dorf bekämen. Doch ich weiß, das macht dir Angst.“

Maria nippt immer wieder an dem Becher. Der Trunk schmeckt gar nicht so schlimm, wie sie dachte. José deckt sie mit seiner mexikanischen Wolldecke zu. „Schlaf ein wenig, dann kann der Trunk wirken.“

 

Sie sinkt in einem Traum: Sie liegt in einer Hängematte zwischen zwei Bäumen, die Vögel zwitschern, die Sonne lässt ihre Strahlen zwischen den Blättern durchblitzen. Sie hört die Stimme von der Großmutter, spürt wie sie ihr sanft über den Bauch streicht und in einer anderen Sprache mit Wesen um sie herum spricht. Sie fühlt eine Kraft in sich, die ihr einerseits fremd und doch vertraut ist.

Auf einmal steht sie auf einer Brücke. Auf der einen Seite stehen Tizia und José, rufen sie und winken ihr zu, zu ihnen zu kommen. Auf der anderen Seite stehen ihre Eltern, mit ernsten Gesichtern, die Hände wie immer in ledernen Handschuhen bedeckt. Sie fordern sie mit erhobenem Zeigefinger auf, in ihre Richtung nach Hause zu kommen. Sie wisse doch wohl, wohin sie gehöre!

Im Traum blickt Maria nach oben in den Himmel. Ihr Verstand sagt geh nach Hause, du weißt, was sonst passiert, doch ihr Herz will in die andere Richtung. Was soll sie tun? Sie streckt ihre Arme in beide Richtungen aus und lässt den Himmel entscheiden.

Erschrocken schreckt sie aus dem Traum hoch. José sitzt neben dem Sofa auf dem Boden.

„Was ist passiert? Hast du etwas Schlimmes geträumt?“ 

„Nichts Schlimmes, doch ich weiß jetzt, was ich will. Wir werden so schnell wie möglich hier wieder unsere Brücken abbrechen und zurück nach Mexiko fliegen. Hier wird sich nichts ändern, doch ich will mit dir und unserem Kind glücklich leben. Und Tizia wird sich auch freuen, wenn ich das Kind mit dir bei ihr im Dorf bekomme. Ich habe jetzt keine Angst mehr davor. Lass uns die Koffer packen!

„Und deine Eltern?“

„Die haben sich kein bisschen verändert und ich halte es bei ihnen gerade nicht mehr aus. Sie hatten ihre Chance und haben sie mit ihrem Verhalten verdorben.“

 

(du wünschst dir eine Fortsetzung? … dann schreib mir es gerne in den Kommentar …

oder schreib die Geschichte einfach selber weiter ….)

 

Wie die Idee der 4-Wort-Geschichten entstand:

Vor vielen Jahren, als ich über eine längere Zeit ans Bett gefesselt war, schickte mir eine Freundin jeden Morgen vier Worte zu, mit der Bitte, ihr daraus eine kurze Geschichte zu schreiben. Damals war das eine große Herausforderung für mich, doch es wurde zu unserem täglichen Ritual des Innehaltens. Heute kann ich mir ein Leben ohne Schreiben gar nicht mehr vorstellen. Vielleicht macht dir diese kleine Geschichte Mut, es einfach auch mal auszuprobieren.

 

Wenn du Lust auf weitere 4-Wort-Stories hast, findest du welche in meinem Blog oder in meinem Buch.

 

 

 

Ich wünsche dir eine lichtvolle Zeit.

 

 

Dies ist ein Blogbeitrag im Rahmen des Blog-Adventskalenders 2025 – initiiert von der wunderbaren Susanne Heinen

24 magische Tage voller inspirierender Geschichten, kreativer Ideen und festlicher Stimmung.