Mein längstes Schreibprojekt: „Grenzenlos verstrickt“
Meine Ost-West-deutsche Familiengeschichte.
Erzähle mir von deinem aktuellen Schreibprojekt lautet die Aufforderung von Gabi Kremeskötter, die Teil der Sommer-Blogparade in der The Content Socienty, ausgerufen von Judith Peters, ist.
Mein Schreibprojekt „Grenzenlos verstrickt“ ist nicht nur ein zeitpolitisch aktuelles – gerade läuft passend dazu nach 35 Jahren Wende der Film Die Unbeugsamen 2 im Kino an – sondern auch mein längstes Schreibprojekt.
Meine Ost-West-deutsche Familiengeschichte
… ist die Geschichte, in der die Mutter des Vaters ihr Kind im Osten bei Pflegemüttern lässt, weil ein uneheliches Kind im Westen eine Schande ist.
… ist die Geschichte, in der die Eltern der Mutter Anfang der 70er Jahre aus dem Osten in den Westen zogen, weil sie nun Rentner waren.
… ist die Geschichte, wo der Vater von der Stasi zur Mitarbeit erpresst wird und dadurch jahrelang als IM zum Handlager der Funktionäre wurde.
… ist die Geschichte, wo die Mutter sich weigerte, mit der Stasi zu kooperieren, was für sie herausfordernde Folgen mit sich brachte.
… ist die Geschichte, wo das Kind dieser Eltern erstaunliches vollbringt, obwohl sie fast unter die Räder kommt.
… ist die Geschichte, in der drei Frauen schicksalhaft miteinander verbunden sind und doch nur schwer zueinander finden.
Die Teilung und Wiedervereinigung von Deutschland – Geschichten, die berühren …
Jedes Jahr im Herbst flackert das Thema der deutschen Wiedervereinigung auf. In diesem Jahr – dem 35. Jahrestag – scheint sich das Thema schon früher im Jahr und auch intensiver zu zeigen. Das liegt wohl vor allem auch an der politischen Brisanz, die sich im Laufe der letzten Jahre im Osten entwickelt hat.
Die Buchveröffentlichungen zu diesem Thema im autobiografischen wie auch im Sachbuchgenre nehmen immer mehr zu. Denn es gibt Redebedarf, um das beiderseitige Verständnis für die ost- und westdeutschen Sichtweisen wieder in Balance zu bringen.
Unzählige Familien sind aufgrund der Teilung Deutschland nach dem 2. Weltkrieg in Ost und West geteilt. Beide Seiten dachten für immer. Daher gab es viele Freudentränen, als die Mauer zwischen beiden Ländern 1989 wieder fiel. Doch die Zeit dazwischen ist nicht vergessen. Sie haben die Familien und das Miteinander geprägt. Zum Teil traumatische Geschichten schlummern in vielen Erinnerungsschatullen. Geschichten vom Werden und Vergehen dieser unnatürlichen Teilung.
Ist die Zeit jetzt reif, sie zu erzählen?
Wie und wann entstand die Idee, diese Geschichte zu erzählen
Als ich zehn Jahre nach der Wende beim damals neu gegründeten Fernsehsender TV.BERLIN gearbeitet habe, stand irgendwann mein Chef, der damalige Geschäftsführer Reinald Walter, neben mir und sagte: „Das müssen sie aufschreiben! Diese Geschichte muss erzählt werden. Sie haben das Zeug dazu.“
Ich schaute ihn ungläubig an und schüttelte nur den Kopf. Damals lag mein kreatives Schreibtalent noch tief im Dornröschenschlaf verborgen.
Schon bei meinem Vorstellungsgespräch mit ihm fragte er mich nach meiner ostdeutschen Biografie und dem künstlerischen Leben in der DDR aus. Als sich unsere beruflichen Wege nach knapp zwei Jahren trennten, blieben wir weiterhin in Kontakt. In jedem Jahr rief er mich mindestens ein Mal im Jahr an und fragte, wie weit ich denn mit dem Aufschreiben dieser Geschichte wäre.
Das ist 25 Jahre her. Der von ihm gepflanzte Samen prallte noch viele Jahre an meiner Widerstandsmauer ab.
Wer schreibt, der heilt …
2013 hat ein gesundheitlicher Umstand dann endlich meine Schreibquelle aus ihrem Dornröschenschlaf befreit. Das war der offizielle Startschuss für die Umsetzung meines bisher längsten Schreibprojektes. Anfangs tauchten nur Fragmente von Erinnerungen auf. Doch umso tiefer ich in meine Geschichte eintauchte, auch mit therapeutischer Unterstützung, umso mehr wollte an die Oberfläche.
Die Idee vom Roman meiner Familiengeschichte war geboren. Doch ich unterschätzte, was das Aufschreiben der eigenen Geschichte mit sich bringt: die Auseinandersetzung mit sich selbst und weggeschlossener Erfahrungen.
Zur Unterstützung absolvierte ich eine schreibtherapeutische Weiterbildung, an deren Ende mir vor allem klar war: Wer schreibt, der heilt. So habe ich mich über viele Jahre beim Aufschreiben meiner eigenen Familiengeschichte gesund geschrieben.
Das Manuskript mit all seinen Fragmenten liegt seit einiger Zeit in der Schublade. Die Geschichte wurde immer komplexer und meine Idee, diese Geschichte in Romanform zu schreiben, verwarf ich irgendwann im Laufe des Prozesses. Anfangs schrieb ich, zum Selbstschutz und Abstandhalter, die Geschichten in der dritten Person.
Doch irgendwann wurde mir beim Schreiben klar, dass ich diese Geschichte aus der Ich-Perspektive erzählen will.
Wer sind die Protagonisten der Geschichte?
Es wird kein Roman werden, sondern eine fragmentarische Geschichte.
Eine Geschichte aus drei Perspektiven erzählt – eine Geschichte über das Leben von drei Frauen: der Großmutter, der Mutter und der Tochter.
Eine Geschichte, über das Leben mit der Grenze, in Ost und West, mit und ohne Stasi.
Alle drei waren in Liebe miteinander verbunden. Alle drei lebten ihr Leben, jeweils in Ost oder West.
Ich behaupte auch, alle drei taten ihr Bestes. Und doch kamen sie alle drei nie zusammen.
Die Grenze durchs Land, die getroffenen Entscheidungen für oder gegen etwas, wie auch die Scham und die Schuld waren für sie unüberwindbar.
Sie bleiben alle Teil einer Familie, mit Narben im Geflecht, die immer bleiben werden. Eine Freundin von mir beschrieb es einmal mit diesen schönen Worten:
Dunkle Fäden einzuweben in den Teppich des Lebens macht keine Freude, aber der Teppich hat im Ganzen betrachtet schönere Kontraste.
In diesen Worten liegt viel Frieden. So sind und bleiben wir wohl alle eingebunden in den großen bunten Fluss des Lebens mit all unseren Erfahrungen.
Literatur und Filme über das Leben in der DDR
Viele neue Bücher zu diesem Thema, die in den letzten Jahren erschienen sind, haben mich dazu ermutigt, auch meine Geschichte endlich zu erzählen. Lange dachte ich, diese Geschichte braucht es nicht oder wer bin ich, dass ich etwas zu erzählen hätte.
Doch umso länger die DDR vorbei ist, umso länger junge Menschen mich fragend angucken, weil sie sich unter der DDR gar nichts vorstellen können, bin ich mir sicher, dass ich dieses Manuskript bald wieder aus der Schublade holen werde, um dieses Schreibprojekt zu vollenden:
Damit das gelebte Leben in der DDR, dem Staat, den es nicht mehr gibt, nicht verloren geht.
Hier einige Buchtitel* die ich ganz wunderbar und beispielhaft für die Darstellung des Lebens in der DDR finde:
sowie die Filme
und viele andere mehr …
*Affiliate-Links
Ich danke nochmals der Lektorin und Schreibdozentin Gabi Kremeskötter für die wundervolle Gelegenheit, im Rahmen der Sommer-Blogparade über mein längstes Schreibprojekt – meine eigene Familiengeschichte – schreiben zu dürfen.
Falls dir der Artikel gefallen hat oder du Gedanken und Hinweise dazu hast, hinterlasse mir gerne einen Kommentar …
Mein geteiltes Leben
besteht mittlerweile aus 23 Jahre im Osten zu 35 Jahre im Westen.
Wie viel DDR steckt noch in dir? Eine sehr spannende Frage, die die Trauma- und Familientherapeutin Sylvia Tornau, im Rahmen der Sommer-Blogparade 2024 stellt.
Seit vielen Jahren beschäftigt mich das Thema der Aufarbeitung der Ost-West-„Wende“geschichte und deren Folgen in Biografien. Nicht nur aus eigener familiärer Betroffenheit, sondern um auf beiden Seiten der früheren Mauer mehr Verständnis für die unterschiedlichen Befindlichkeiten und (neu) gewachsenen Strukturen zu wecken.
Denn die Mauern oder falschen Vorstellungen in den Köpfen in Ost und West sind bis heute zum Teil nicht weg und lassen sich auch nicht so leicht abbauen, wie die physische Mauer Anfang der 90er Jahre.
Meine familiäre Herkunft
Mein Familiensystem ist grenzenlos in vielen Linien in Ost und West verstrickt.
Meine väterliche Ahnenlinie
Mein Vater ist als uneheliches Kind vor dem Zweiten Weltkrieg in Magdeburg zur Welt gekommen.
Seine Mutter hat ihn in Magdeburg zu Pflegemüttern gegeben, weil ihre Eltern sie im Westen am Nord-Ostsee-Kanal sonst enterbt hätten, wenn sie das Kind mit nach Hause gebracht hätte.
So blieb mein Vater nach dem Krieg weiterhin im Osten und sie ging mit ihrem neuen Mann in den Westen.
Ich erinnere mich, dass ab Ende der 70er Jahre jedes Weihnachten ein Päckchen mit Schokolade von „Oma Ruth“ bei uns ankam.
Meine Schwester und ich schrieben brav jedes Jahr eine Dankeskarte, auch wenn wir weder ein Bild von ihr noch eine Vorstellung davon hatten, wo oder wie diese fremde Frau, unsere Großmutter, lebte.
In den Jahren nach der Wende versuchte ich zweimal meine Großmutter an der Nord-Ostsee-Grenze zu besuchen, um ihr ihre Ur-Enkeltochter vorzustellen.
Jedes Mal sagte sie einen Tag vor meiner Reise zu ihr ab, weil ihr Mann es nicht wollte. So habe ich meine Großmutter väterlicherseits nie kennengelernt.
Meine mütterliche Ahnenlinie
Die Eltern meiner Mutter zogen 1972, nachdem sie in der DDR offiziell Rentner geworden waren, wieder zurück in den Westen, in die Nähe, wo meine Großmutter aufgewachsen war.
Sie wurden dadurch für mich zu Ferienkurzbesuch-Großeltern. Vor allem für meine Mutter war der Wegzug ihrer Eltern in den Westen ein großer Verlust, der ab dem Moment auch unser Alltagsleben prägte.
Das Leben in einer Künstlerfamilie
Als Kind einer Künstlerfamilie in einem Arbeiter-und-Bauern-Staat hatten wir einen anderen Status als die meisten Kinder, mit denen ich aufgewachsen bin.
Meine Eltern waren nicht in der Partei, lebten ihre Kunst frei aus und wurden von der Stasi nicht nur observiert, sondern auch dazu gezwungen „mitzuspielen“, sonst würden Sanktionen folgen. 1990 wurde mein Vater in der Gauck-Behörde als IM enttarnt. Bis zu diesem Zeitpunkt wusste ich nicht, dass er mit der Stasi kooperiert hatte, um seine Arbeit als Kameramann bei der DEFA nicht zu verlieren. Zu Hause wurde darüber nie gesprochen.
Meine Mutter hatte sich zwar erfolgreich gegen die Anwerbung der Stasi gewehrt, bekam jedoch zwei Jahre lang keine Aufträge mehr als freiberufliche Schauspielerin. Ein unausgesprochenes Berufsverbot.
Für mich war all dies normal. Ich kannte es nicht anders. Aufgrund der vielen Gastspielaufträge – sogenannter Mucken – meiner Mutter in anderen Städten war die Schule und das geregelte Gefüge in der Pionierorganisation oder in der FDJ für mich das stabile Grundgerüst, in dem ich sehr früh lernte, selbständig für mich zu sorgen. Vor allem das Gemeinschaftliche dort hat mich sehr geprägt.
Kein Abitur
Einzig beim Abitur wurde mir als nicht-Arbeiter-und-Bauern-Kind ein Stein in den Weg gelegt. Nicht nur die Berufe meiner Eltern hatten daran ihren Anteil, sondern auch die gestellten Ausreiseanträge der Geschwister meiner Mutter, die nach und nach in den Westen zogen.
So blieb mir nach der 10. Klasse nur die Möglichkeit, erst einmal eine Ausbildung zu absolvieren, um dann auf der Abendschule mein Abitur nachzuholen.
Fehlendes Reisefieber-Gen
Aus den Erzählungen meiner Großeltern und ausgereisten Verwandten wusste ich, dass im Westen auch nur mit Wasser gekocht wird und dort vieles auch nicht nur einfach sei.
Von daher hatte ich nie das Gefühl, dass es mir an etwas fehlte. In der DDR fühlte ich mich sicher. Wahrscheinlich lag es jedoch auch daran, dass ich damals, wie auch heute kein ausgeprägtes Reisefieber-Gen hatte und habe. Meine kleine Welt um mich herum reichte mir.
Hier fühlte ich mich gut umsorgt: Ich heiratete früh, bekam dadurch eine Wohnung und einen Ehekredit, bekam mein Kind, blieb ein Jahr zu Hause, bekam danach sofort einen Kinderkrippenplatz und einen monatlichen Haushaltstag, brauchte die ganze Zeit über keine Angst um meinen Arbeitsplatz zu haben.
In der DDR gab es viele familien-fördernde Bedingungen. Das waren alles Dinge, wovon junge Familien in der BRD nur träumen konnten.
Doch das war nur eine Seite der Medaille. Umso älter ich wurde, umso mehr stellte ich in Frage. Wenn die Wende nicht gekommen wäre, wäre es auch mir irgendwann zu eng geworden. Von daher trauere auch ich der DDR nicht hinterher.
Jedoch hätte es für die Zusammenführung zweier so unterschiedlichen Staaten mehr Zeit gebraucht. Die Folge war, dass die guten familien-fördernden Bedingungen der DDR erst einmal abgeschafft und die marode Wirtschaft komplett platt gemacht wurde. Die kapitalistische D-Mark überall war das Ziel.
Die Menschen, die in der DDR lebten, wurden zur Nebensache. Viele junge Leute aus der DDR ergriffen ihre Chance, doch für die Alten, die nach dem Krieg alles aufgebaut hatten und fast ihr ganzes Leben in der DDR gelebt hatten, brach eine Welt zusammen. Viele von ihnen, die im Alter von 45+ fielen im neuen Staatssystem durchs Raster. Meine Eltern gehörten auch dazu. Auch das hat mich geprägt.
Identitätsverlust
Als am 09.11.1989 die Mauer fiel, hatte ich gerade meine zweite Ausbildung zur Buchhändlerin abgeschlossen und eine schwere Lungenentzündung überstanden.
Ich wohnte direkt an der Mauer am Grenzübergang Heinrich-Heine-Straße, war schon wieder geschieden und arbeitete im Vertrieb des Akademie-Verlages der Akademie der Wissenschaften.
Innerhalb kürzester Zeit änderten sich alle Gegebenheiten. Der Verlag wurde verkauft, von den 60 Mitarbeitern in Vertrieb und Werbung blieben für die neue Marketingabteilung noch sechs Mitarbeiter übrig. Alle anderen wurden entlassen.
Meine Berufsabschlüsse waren von jetzt auf gleich nichts mehr wert und als alleinerziehende Mutter war ich erst einmal froh, eine der sechs verbliebenden Mitarbeiter zu sein.
Mein bisheriger Chef wurde durch einen Marketingleiter aus dem Westen ausgetauscht.
In meinem Umfeld gab es viel Unruhe. Ich versuchte mich schnellstmöglich in das neue System hineinzufinden.
10 Jahre Scham
Wenn ich nach der Wende gefragt wurde, was ich beruflich mache, rutschte mir anfangs schnell: „Ich bin Buchhändler“ heraus. Damit hatte ich mich sofort als Ossi geoutet. In der DDR stand auf den Abschlusszeugnissen nur die männliche Berufsbezeichnung. Gleichfalls war es bei typisch ostdeutschen Begriffen, wie „ich wohne in einer 3-Raum-Wohnung“ oder „mein Haus wird rekonstruiert“.
Lange Zeit habe ich mich für meine Ost-Identität geschämt. Doch nicht nur dafür. Auch für die Ossi-Trauben, die sich bildeten, wenn es irgendwo Bananen, Kaffeepackungen oder andere bunte Werbe-Produkte für umsonst gab. Als ob wir in der DDR verhungert wären, nur weil bei uns nicht alles in x-facher Ausführung oder in bunt gab. Das fand ich so erniedrigend. Damals habe ich Fremdschämen gelernt.
Der Westen überrannte uns mit seinen manipulativen Tricks. Vor allem große Versicherungsfirmen versprachen das Blaue vom Himmel. Wenn wir jetzt alle unsere Freunde anwerben, könnten wir den großen Reibach machen. Nicht wenige fielen darauf herein und bisher stabile Freundeskreise zerbrachen.
Ein schaler Beigeschmack
Mein Selbstwert war aufgrund von subtilen Abwertungserlebnisse Jahre gestört und es brauchte lange, dass ich wieder zu mir und meinen Werten von Ehrlichkeit und gemeinschaftlichem Zusammenhalt stehen konnte.
Lange fühlte sich die Aussage: „Ach du kommst aus dem Osten“ sehr unangenehm an. Es schwang darin eine (unbewusste) Wertung mit und ich fühlte mich in eine Schublade gepresst, aus der ich nicht mehr herauskam. Immer mehr verstellte ich mich, um mich nicht als Ossi zu outen. Das war anstrengend.
Mein Resilienzvorteil
Glücklicherweise drehte sich das innere Gefühl irgendwann wieder.
Heute sehe ich meine Anstrengungsleistung, mich fast über Nacht von Null auf Hundert in ein neues Regel- und Staatssystem erfolgreich integriert zu haben als großen Resilienzvorteil und bin stolz darauf.
Mit meinen in der DDR entwickelten Fähigkeiten aus Nichts etwas zu kreieren, dieses flexible Improvisationstalent oder mein Gemeinschaftssinn und noch vieles mehr, zusammen mit meiner vielfältigen Erfahrung der letzten 35 Jahre im Westen geben mir heute eine innere Sicherheit.
Die Ossi-Prägung der nächsten Generation
Meine Tochter war drei Jahre alt, als die Mauer fiel. Seit fast 20 Jahren lebt sie nun schon in Süddeutschland. Doch sie wird auf ewig ein Ossi-Bärchen bleiben. So leicht lassen sich die Prägungen nicht aus den Ahnenlinien tilgen.
Wir Eltern sind beide im Osten aufgewachsen. Auch ihre Kinder werden noch ostdeutsche Großeltern erleben, die sie unbewusst prägen werden.
Viele junge Menschen in Deutschland kennen die DDR nur noch aus Erzählungen. Ein Phantom-Land, dass es nicht mehr gibt. Umso wichtiger finde ich es, dass die Geschichten dieser 40 Jahre gelebten Lebens nicht vergessen werden dürfen, denn das Erbe dieser Zeit wird auf vielen Ebenen noch länger weiterwirken.
Geschichtliche Aufarbeitung
Für die Zukunft wünsche ich mir, dass die zur Wendezeit gerissene kollektive Wunde der ostdeutschen Entwertung und die gefühlt koloniale Übernahme des Ostens durch den Westen offen und ehrlich auf den Tisch kommen. Wir sollten darüber reden.
Vielleicht kann so die derzeitige immer größer werdende politische Parteienschere wieder mehr in eine balancierte Mittelposition gerückt werden.
Vielleicht verbessert sich dadurch das im Osten weit verbreitete Gefühl von nicht-gesehen und nicht-verstanden werden wieder.
Es braucht in meinen Augen beidseitiges Mitgefühl, offene Ohren und ein neues miteinander kommunizieren, um das Band zwischen Ost- und Westdeutschland zu vereinen.
Resümee
- So wie nicht alles in der DDR schlecht war, ist im Westen auch nicht durchweg alles gut. Es braucht neue Wege der Begegnung auf beiden Seiten in der Zukunft.
- Ich werde bis zu meinem Lebensende ein Ossi bleiben, auch wenn ich schon weit über die Hälfte meines Lebens nunmehr im vereinigten Deutschland lebe.
- Der Ressourcenschatz all der Erfahrungen meines geteilten Lebens ist das Fundament, auf dem ich heute stehe. Eine Entwicklungsleistung, auf die ich stolz bin.
- Die zwei Seelen meines geteilten Lebens sind mittlerweile glücklich verheiratet.
Wer noch mehr über das Leben von Frauen in Ostdeutschland erfahren will, dem empfehle ich den wunderbaren Film Die Unbeugsamen 2 von Torsten Körner
Ich danke nochmals Sylvia Tornau für die wundervolle Gelegenheit, im Rahmen der Sommer-Blogparade 2024 über mein geteiltes Leben und meine Ossi-Seele zu schreiben.
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